Mein Lebenslauf im 20. Jahrhundert
"Nie im Leben hätte ich geglaubt, was mir das 20. Jahrhundert alles
in Bereitschaft hielt. Als ich 1936 in Erfurt geboren bin, waren es nur 3
Jahre bis der Krieg anfing. Ich habe also den Krieg noch miterlebt. Eine
schlimme Zeit. Nach dem Krieg ließen wir uns dann in Duisburg nieder.
Schon als Kind lag mir die Musik am Herzen und ich spielte Klavier und Akkordeon.
War auch in der Duisburger Akkordeonharmonie Mitglied. Als ich 14 Jahre alt
war, sah ich den Film “Heimat“ mit der Schwedin ZARAH LEANDER, die später
eine große Rolle in meinem Leben spielte. Bis dahin war der Weg allerdings
noch lang.
Die Stimme und die Ausstrahlung der Leander war so faszinierend, so dass
ich von nun an alles sammelte, was ich ersteigern konnte. Als ich sie dann
in Düsseldorf zum ersten Mal “life“ auf der Bühne sah, war es um
mich geschehen. ZARAH wurde also mein Idol. In Berlin wurde ein “Zarah Leander-Club“
gegründet und ich wurde Mitglied. Unser erstes persönliches Treffen
mit unserem Star sollte am Kurfürstendamm in einem Cafe namens “Alte
Klause“ stattfinden. So geschah es dann auch, und wir durften der großen
Diva die Hand schütteln. Sie war so nett und sympathisch und ließ
sich mit uns fotografieren und alle bekamen ein Autogramm mit persönlicher
Widmung von ihr. Wenn man bedenkt, dass sie der größte Star der
UFA war und 14 Hauptrollen im Film gespielt hat, war es schon ein Wunder,
diesen Star einmal ganz von der Nähe zu erleben. Bei Kaffee und Kuchen
vergingen die 2 Stunden wie im Fluge.
Dieses Treffen sollte nicht das erste und letzte sein. Ich fuhr kreuz und
quer durch die Lande, schmückte die Garderobe und tauchte plötzlich
irgendwo auf. Durch Frau Leanders Manager in Köln, Otto Hofner, bekam
ich einen Tourneeplan, der es mir ermöglichte, Städte zu besuchen,
wo Frau Leander ihre Gastspiele gab. Frau Leander war ja nicht nur Filmschauspielerin,
sondern auch eine großartige Sängerin, die mit ihrer tiefen eigenartigen
Stimme Millionen in ihren Bann zog. Außer gesanglichen Gastspielen hat
sie auch viele Musicals gemacht. Wie es auch sein mag, nach 9 Jahren Verfolgung
fragte sie eines Tages, ob ich nicht Lust hätte mit ihr auf Tournee
zu gehen. Ich konnte mir natürlich nichts besseres vorstellen und sagte
spontan ja. Inzwischen hatte ich eine Stelle als kaufm. Angestellte angenommen
und kündigte diese Arbeitsstelle direkt. Ich wurde also bei Zarah Tourneeleiterin
und kümmerte mich um alles, was zu so einem Posten gehörte. Es
machte mir viel Freude, dass ausgerechnet ich dazu ausersehen war in der
absoluten Nähe meines großen Idols sein zu dürfen.
Nach 3 Monaten Tournee bot mir Zarah das “Du“ an, also Tante Zarah und ihr
Gatte Arne Huelphers, der ihr sie auf dem Klavier immer begleitete. Onkel
Arne. Das bedeutete sehr viel für mich. Nach dieser Tournee lud mich
Zarah zur Kur nach Bad Wiessee ein, wo ich viele interessante Persönlichkeiten
kennen lernte, u.a. ihren Textdichter Bruno Balz, Franz Grothe, die Millowitschs,
Lonny Kellner, Mady Rahl, Familie Grundig, Peter Alexander usw. Ich traf auch
Grethe Weiser, Marika Rökk, Michael Jarry, Lale Andersson, Josephine
Barker, Paul Hörbiger und Willy Brandt in Bonn bei einem Empfang, den
er für Künstler gegeben hatte. Alle lebten in dem 20. Jahrhundert,
wo ich teilnehmen konnte. Also eine interessante Zeitepoche für mich.
Nach der Kur in Bad Wiessee fragte mich Zarah, ob ich Lust hätte, mit
ihr nach Schweden zu kommen auf ihr Gut Lönö. Für mich wurde
ein Traum Wirklichkeit. Ich überlegte nicht lange und meine Mutter hatte
Verständnis dafür, doch nicht so meine beiden Brüder. Ich folgte
also mit nach Schweden und kam auf ein Schloss mit 20 Zimmern und alle Zimmer
[waren] antik eingerichtet.
Ich war hin- und hergerissen, dass ich so etwas erleben durfte. Nun lernte
ich eine ganz andere Zarah Leander kennen. Sie war ganz anders privat. Auf
der Bühne war sie Primadonna und zuhause auf Lönö war sie Gutsfrau.
Ihre Platten wollte sie nicht hören, sondern Nicolai Gädda musste
ich spielen und Birgit Nilsson, die ich auch kennen lernte. Sie war eine
perfekte Gastgeberin und Feste wurden oft gefeiert auf Lönö. Im
Nebenhaus beim Verwalter gab es einen jungen Mann der die Felder bestellte
und der mein Schicksal werden sollte, sein Name war Tore Pettersson. Also
lernte ich auch meinen zukünftigen Mann durch Zarah kennen. Zarah war
ein herzensguter Mensch und ich war so dankbar, dass sie auch meine Mutter
und meinen jüngeren Bruder jedes Jahr zu den Ferien nach Lönö
einlud. Ich konnte 25 Jahre Zarah erleben, bis sie 1978 bei ihrem letzten
Musical “Das Lächeln einer Sommernacht“ eine Gehirnblutung erlitt. Inzwischen
war auch ihr Gatte Arne Huelphers an einem Herzinfarkt gestorben. Zarah überlebte
ihn nur 3 Jahre. Im Jahre 1981. Am 23. Juni, das ist der Hochzeitstag von
Tore und mir, schlief Zarah für immer im Stockholmer Krankenhaus Danderyd,
ein. Kurz zuvor hatte ich sie noch besucht. Zarah lebt aber in unserem Herzen
weiter und sie wurde eine Legende. Ich lebe noch immer mit meinem Tore glücklich
in Schweden und halte Vorträge hier bei vielen Vereinen, die über
Zarah Leanders Leben informiert werden möchten. Und dass macht auch mir
Freude, dadurch lebt sie weiter. Zarah wurde am 15.3.1907 in Karlstadt geboren
und hatte 4 Brüder. Zarah war 3 Mal verheiratet. Erst mit Pontus Leander,
was auch ihr Künstlername wurde, dann mit Vidar Forsell und dann Arne
Huelphers. Zarah bekam 2 Kinder mit Leander, Boel und Göran, mit denen
ich auch guten Kontakt habe. Boel hat 4 Kinder und Göran 2. Ich bin
dem Schicksal dankbar, dass ich das alles erleben durfte im 20. Jahrhundert."
Brigitte Anhöck-Pettersson